Überprüfung der Fahrtauglichkeit bei Demenz
Der Mix aus Praxis und Theorie macht’s
Schreitet eine Demenzerkrankung fort, bedeutet dies für Betroffene ab einem bestimmten Zeitpunkt: Das Auto bleibt fortan in der Garage. Doch wie lässt sich die Fahrtauglichkeit zuverlässig überprüfen? Wissenschaftler am Interdisziplinären Zentrum für Health Technology Assessment (HTA) und Public Health der FAU haben dazu neue Erkenntnisse gewonnen*.
Das Autofahren klappt schon noch! Oder doch nicht? Mehr als 1,6 Millionen Menschen mit Demenz leben derzeit in Deutschland, bis 2050 wird die Zahl voraussichtlich auf 2,7 Millionen Menschen steigen. Mit der vorausgesagten Zunahme demenzieller Erkrankungen rückt ein Thema von großer gesellschaftlicher Bedeutung in den Mittelpunkt: die Frage nach der Fahrtauglichkeit älterer Menschen.
Wissenschaftlich ist erwiesen, dass die ersten Anzeichen einer Demenz sich schon sehr früh bemerkbar machen: Wie schnell übersieht man ein Verkehrszeichen oder schätzt die Geschwindigkeit falsch ein. Im Straßenverkehr können solche kognitiven Einschränkungen fatale Auswirkungen haben. Umso wichtiger ist es, frühzeitig die Fahrtauglichkeit zuverlässig überprüfen zu lassen. Wie dies geschehen sollte, haben nun Forschende der FAU im Rahmen des Forschungsprojektes digiDEM Bayern untersucht.
In der Studie kommt Linda Karrer mit ihrem Team zu dem Schluss: “Um die Fahrtauglichkeit von Menschen mit Demenz zu bestimmen, reichen einzelne neuropsychologische Tests nicht aus.” In der aktuellen Veröffentlichung von Februar 2022 empfiehlt die Forscherin: “Praxisorientierte Fahrtests haben gegenüber psychologischen Untersuchungen eine höhere Aussagekraft.”
Mehr als 2200 internationale Studien gesichtet
Gemeinsam mit ihren Kolleg*innen ging Autorin Linda Karrer der Frage nach, welche wissenschaftlich abgesicherten Methoden geeignet sind, um die Fahrtauglichkeit von Menschen mit Demenz oder Menschen mit milden kognitiven Einschränkungen (Mild Cognitive Impairments, MCI) zu beurteilen. Die systematische Übersichtsarbeit (Review) gibt dabei einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der weltweiten Fachliteratur.
So sichtete das Forscherteam zunächst insgesamt 2225 wissenschaftliche Arbeiten. Im nächsten Schritt wurden 30 ausgewählte Studien aus USA, Australien, Griechenland, Argentinien, Niederlande, Kanada, Österreich, Frankreich und Deutschland untersucht und analysiert.
So wird nach aktuellem Stand der Wissenschaft zwischen praxisorientierten Testverfahren und theoriebasierten Methoden unterschieden. So zählen die Fachleute zum Beispiel Praxisfahrtests, Fahrsimulatoren oder das Beobachten des Fahrens im natürlichen Umfeld zu den praxisorientierten Testverfahren, um die Fahrsicherheit zu überprüfen.
Demgegenüber werden bei theoriebasierten Methode spezielle neuropsychologische Tests angewendet wie etwa der sogenannte Mini Mental Status Test. Erfasst wird hierbei etwa die zeitliche und örtliche Orientierung, die Merkfähigkeit und das Kurzzeitgedächtnis.
Kombination aus Theorie- und Praxistests
Eine Demenzerkrankung verläuft fortschreitend. „Deshalb sollte die Fahrtauglichkeit von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen engmaschig durch eine Kombination aus theorie- und praxisbasierter Methoden überprüft werden“, unterstreicht der Neurologe Prof. Peter Kolominsky-Rabas, Leiter des IZPH und einer der Projektleiter von digiDEM Bayern.
*Hier befindet sich die Studie im Original.
Über digiDEM Bayern
digiDEM Bayern baut ein digitales Demenzregister für Bayern auf, um den Langzeitverlauf der Erkrankung besser zu verstehen und die Versorgungssituation von Menschen mit Demenz und deren Angehörigen in ganz Bayern zu verbessern. Dafür werden Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen oder Demenz und ihre pflegenden Angehörigen zu ihrer Situation systematisch befragt.
Darüber hinaus entwickelt digiDEM Bayern digitale Angebote für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Demenz sowie für pflegende Angehörige und ehrenamtliche Helfer*innen. So gibt es zum Beispiel die „Angehörigenampel“, einen kostenlosen, anonymen Selbsttest, der pflegenden Angehörigen mittels gezielter Fragen den Grad ihrer persönlichen Belastung anzeigt und ihnen damit einen Anstoß zur Veränderung der Lebenssituation gibt.
digiDEM Bayern ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, des Universitätsklinikums Erlangen und des Innovationsclusters Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg. Gefördert wird das Projekt vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) im Rahmen des Masterplans „BAYERN DIGITAL II“.
Mehr Informationen
Ilona Hörath
Tel: 09131/85-35858
ilona.hoerath@fau.de