„Was hast du gesagt?“

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Studie soll Versorgungslücke in der Hörhilfeversorgung ergründen: Forscherinnen und Forscher warnen zum Welttag des Hörens vor Unterversorgung

Trotz Sehschwäche keine Brille tragen? Für viele unvorstellbar. Während Sehfehler in der Regel zeitnah mit geeigneten Sehhilfen behandelt werden, ist dies bei schwindendem Hörvermögen nur selten der Fall: In Deutschland weisen sechs Millionen Menschen, die über 60 Jahre alt sind, eine mittel- oder höhergradige Schwerhörigkeit auf. Aber nur etwa drei Millionen Personen tragen ein Hörgerät – die unter 60-Jährigen eingeschlossen. Dabei gilt unbehandelter Hörverlust als einer der bedeutendsten Risikofaktoren für eine Demenz und kann zudem zu Depressionen, Verwirrtheit oder eingeschränkter Selbstständigkeit führen. Nicht zuletzt belasten die Folgeerkrankungen das deutsche Gesundheitssystem mit zusätzlichen, oft vermeidbaren Kosten. Doch wie kommt es zu dieser Versorgungslücke? Und wie kann sie langfristig behoben werden? Diesen Fragen stellt sich Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe, Leiter der Abteilung Audiologie und des Cochlear-Implant-Centrums CICERO der Hals-Nasen-Ohren-Klinik – Kopf- und Halschirurgie (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Iro) des Uniklinikums Erlangen, gemeinsam mit einem nationalen Forschungsteam im Rahmen des Projekts HearForFuture. Anlässlich des jährlichen Welttags des Hörens am 3. März möchten die Forschenden einmal mehr auf die Bedeutung einer frühzeitigen und angemessenen Hörgeräteversorgung aufmerksam machen.

„Was hast du gesagt?“ – diese Frage dürfte der ein oder andere im Kontakt mit Großeltern, Eltern und älteren Bekannten schon gehört haben. Manche mussten sie vielleicht sogar schon selbst stellen. Altersbegleitende Schwerhörigkeit, also der fortschreitende Verlust des Hörvermögens, der aufgrund des natürlichen Alterungsprozesses etwa ab dem 50. Lebensjahr einsetzt, ist die zahlenmäßig häufigste Ursache von Schwerhörigkeit. Rund 13 Prozent der 60-Jährigen weisen einen mittel- oder höhergradigen Hörverlust auf; bei den 80-Jährigen sind es sogar 44 Prozent.

Obwohl schwindendes Hörvermögen mit den genannten gesundheitlichen Risiken, einer geminderten Lebensqualität und hohen Kosten für das gesamte Gesundheitssystem einhergeht, ist die Hörhilfeversorgung in Deutschland mangelhaft: Im Durchschnitt vergehen drei bis neun Jahre von der Diagnose einer Hörstörung bis zur Hörgeräteversorgung. Ein Cochlea-Implantat, das bei besonders starkem Hörverlust helfen kann, haben sogar nur etwa 5 Prozent derjenigen, die davon profitieren könnten.

„Ziel unseres Forschungsprojekts ist es, herauszufinden, weshalb diese erhebliche Versorgungslücke besteht. Ist eine engere, strukturelle Zusammenarbeit zwischen den HNO-Ärztinnen und Hörgerätakustikern notwendig? Ist das Beratungsangebot nicht ausreichend? Negieren Betroffene die Hörstörung aus Scham und weigern sich deshalb, Hörhilfen anzunehmen?“, erörtert Prof. Hoppe mögliche Gründe. Ausgehend von ihren Erkenntnissen wollen die Forscherinnen und Forscher dann ein zukunftsorientiertes Versorgungskonzept entwickeln.

Der internationale Welttag des Hörens, der jedes Jahr am 3. März begangen wird, unterstreicht, wie wichtig die Hörgesundheit ist. Unter dem Leitthema „Changing mindsets: empower yourself to make ear and hearing care a reality for all!“ möchte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Menschen aller Altersgruppen dazu ermutigen, ihre Ohren vor lauten Geräuschen zu schützen, ihr Gehör regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf Hörgeräte zu benutzen. „Hörverlust ist behandelbar und damit einhergehende Folgeerkrankungen sind vermeidbar – vorausgesetzt er wird angemessen behandelt. Das Tragen eines Hörgeräts sollte genauso selbstverständlich sein wie das Tragen einer Brille“, betont der Erlanger Experte.

Das Forschungsprojekt HearForFuture läuft seit Januar 2025 unter Leitung des Hörzentrums der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde des Katholischen Klinikums Bochum in Kooperation mit dem AOK-Bundesverband, der Fliedner Fachhochschule Düsseldorf, der Hochschule Aalen, der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie weiteren Partnern. Bis Mitte 2026 werden die Erlanger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Hoppe gemeinsam mit ihren nationalen Kolleginnen und Kollegen zur Hörhilfeversorgung in Deutschland forschen.

Weitere Informationen über das Projekt erhalten Interessierte auf der Projekt-Webseite.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hoppe
09131 85-32981
cicero(at)uk-erlangen.de

Originalbericht