Das Ziel: Spaghetti Aglio e Olio in Italien

Ösophaguskarzinom: Erlanger Chirurg rekonstruiert die Speiseröhre eines Betroffenen mit einem Stück Dickdarm
Nicht essen können – und das über Monate hinweg. Dieser harten Realität musste sich Manfred P. aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen im vergangenen Jahr stellen. Im März 2024 wurde bei ihm Speiseröhrenkrebs diagnostiziert. Was folgte, war eine Odyssee: Bei der operativen Entfernung seines Tumors in einer bayerischen Klinik traten Komplikationen auf. Nur eine Notoperation konnte damals sein Überleben retten; als Folge musste der damals 56-Jährige monatelang über einen Magenkatheter künstlich ernährt werden. Doch Manfred P. gab nicht auf: Auf eigene Faust suchte er nach Spezialistinnen und Spezialisten – und stieß auf das Speisenröhrenkrebszentrum (Sprecher: Prof. Dr. Georg Weber) des Uniklinikums Erlangen. Dort übernahm PD Dr. Christian Krautz, geschäftsführender Oberarzt der Chirurgischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Robert Grützmann), den komplexen Fall und rekonstruierte mithilfe einer sehr speziellen Operationstechnik die Speiseröhre des Patienten – mit einem Stück Dickdarm. Von da an ging es für Manfred P. bergauf: Heute kann er wieder schlucken und kleinere Mengen Nahrung zu sich nehmen. „Ich bin Dr. Krautz so dankbar, dass er das möglich gemacht hat. Die Ärztinnen und Ärzte sowie die Pflege am Uniklinikum waren einfach nur spitze“, sagt der heute 57-Jährige am Tag seiner Entlassung erleichtert.
Bei einer regulären Vorsorgeuntersuchung stellten Ärztinnen und Ärzte bei Manfred P. Speiseröhrenkrebs, fachsprachlich Ösophaguskarzinom genannt, fest. „Das war natürlich erst mal ein Schock. Aber der Tumor wurde rechtzeitig erkannt, sodass die Chancen eigentlich gut standen“, berichtet der Patient. Es folgte eine Chemotherapie, bevor der Tumor operativ entfernt werden sollte. „Das klassische Operationsverfahren sieht vor, dass das krebsbefallene Stück der Speiseröhre und das angrenzende Lymphgewebe entfernt werden. Um die Verbindung zwischen Speiseröhre und Magen wiederherzustellen, wird der Magen bis zur verbleibenden Speiseröhre hochgezogen und bildet so einen schlauchförmigen Ersatz der Speiseröhre“, erläutert Dr. Krautz. Durch diesen Eingriff können Betroffene schon kurz nach der OP wieder normal schlucken und essen – wenn auch verteilt auf mehrere kleinere Mahlzeiten. Am Speiseröhrenkrebszentrum des Uniklinikums Erlangen wird dieser Eingriff bei fast allen Patientinnen und Patienten minimalinvasiv mithilfe eines OP-Roboters durchgeführt.
Gute Prognose, schwere Komplikationen
Doch bei Manfred P. sollte es anders kommen: Bei der Operation in einer bayerischen Klinik wurden die Lunge und die Luftröhre verletzt, woraufhin sich der rechte Hauptbronchus entzündete und eine Fistel, also eine Verbindung zwischen dem „Magenschlauch“ und den tiefen Atemwegen, entstand. Die Folgen: eine Lungenentzündung und eine beginnende Blutvergiftung. Als schließlich auch noch die OP-Naht riss, blieb den behandelnden Ärztinnen und Ärzten keine andere Wahl: Sie mussten den Magenschlauch kürzen und das verbliebene Stück der Speiseröhre am Hals ausleiten. Nach dem korrektiven Eingriff war der Mund-Rachen-Raum des Patienten faktisch nicht mehr mit seinem Magen verbunden und Manfred P. musste über einen Magenkatheter künstlich ernährt werden. „Die Entfernung von Speisenröhrenkrebs ist immer eine Hochrisikooperation, die mit Komplikationen behaftet sein kann. Bei ihm kam es allerdings zu den schlimmsten Komplikationen, die man nur haben kann“, erklärt Dr. Krautz die heikle Situation. Als es ihm nach der Korrekturoperation langsam wieder besser ging, nahm Manfred P., der in seiner Freizeit leidenschaftlicher Motorsportler ist, das Steuer selbst in die Hand: Im Internet las er Patientenberichte und klickte sich durch unzählige Krankenhausrezensionen. Schon bald beschloss er, sich an das Speisenröhrenkrebszentrum des Uniklinikums Erlangen zu wenden.
In Erlangen in guten Händen
„Der Patient kam im Dezember in einem guten Zustand zu uns, allerdings war seine Speiseröhre nach wie vor am Hals ausgeleitet“, beschreibt Dr. Krautz das erste Aufeinandertreffen mit Manfred P. Für den Erlanger Chirurgen stand schnell fest, dass es nur noch einen Weg gibt, die Speiseröhre des Patienten zu rekonstruieren: Anstatt des Magens sollte diesmal ein Stück Dickdarm die Speiseröhre ersetzen. „Das ist eine spezielle, selten angewandte Operationstechnik, bei der ein Stück des Dickdarms abgetrennt und als Verbindungsstück zwischen der verbliebenen Speiseröhre und dem Magen wieder eingesetzt wird“, führt Christian Krautz aus. „Einen derartigen Eingriff führen wir hier in Erlangen vielleicht ein- bis zweimal pro Jahr durch.“ Doch es wartete noch eine weitere Herausforderung auf das Ärzteteam: Das Gewebe hinter der Luftröhre – also dort, wo die Speiseröhre normalerweise verläuft – war durch die erste Operation stark beschädigt. Daher konnte das 30 Zentimeter lange Dickdarmstück nicht entlang der ursprünglichen Position der Speiseröhre verlegt werden. Stattdessen mussten Dr. Krautz und sein Team den Speiseröhrenersatz hinter dem Brustbein platzieren. „Diese besondere Lage herzustellen, war sehr herausfordernd. Alles andere wäre aber zu riskant gewesen“, betont der Chirurg. Manfred P. war dem komplizierten Eingriff gegenüber von Beginn an aufgeschlossen: „Ich hatte keine Angst vor der OP. Nach allem, was ich schon hinter mir hatte, konnte es nicht schlimmer werden.“ Die heikle Operation gelang: „Ich bin aus der Narkose aufgewacht und habe erst mal geschaut, ob überhaupt etwas bei mir gemacht worden ist“, erinnert sich der 57-Jährige und lacht. „Ich hätte sofort aufstehen können – so fit habe ich mich gefühlt.“
Endlich nach Hause
Zwei Wochen nach dem Eingriff, am Tag seiner Entlassung, hat Manfred P. weiterhin einen Ernährungskatheter. Allerdings kann er – nach mehr als sechs Monaten künstlicher Ernährung – endlich wieder Nahrung über den Mund zu sich nehmen. „Jetzt ist erst einmal breiige Kost in kleinen Portionen angesagt, bis sich der Dickdarm an seine neue Position und Aufgabe sowie der verbleibende Magen wieder an größere Nahrungsmengen gewöhnt haben. Später kann der Patient seine Mahlzeiten dann schrittweise vergrößern und um feste Komponenten ergänzen. Bis dahin unterstützt der Ernährungskatheter die Energiezufuhr. In ein paar Monaten wird er jedoch wieder weitestgehend normal essen können“, erklärt Dr. Krautz zuversichtlich. Bei der Frage, auf welche Speise er sich besonders freue, zögert Manfred P. zunächst. Er habe es sich abtrainiert, an Essen zu denken, um Heißhunger zu vermeiden: „Anders lassen sich mehr als sechs Monate ohne feste Nahrung nicht aushalten.“ Doch dann fällt ihm etwas ein: „Ich reise mit meiner Partnerin gerne nach Italien. Dort mal wieder Spaghetti Aglio e Olio oder Spaghetti Carbonara zu essen – darauf freue ich mich wirklich sehr.“
Weitere Informationen:
PD Dr. Christian Krautz
09131 85-33201
christian.krautz(at)uk-erlangen.de