Hilfe da, wo sie gebraucht wird

„Tigerauge“ Initiative Kinderhospiz Nordbayern e. V. spendet der Kinderpsychiatrie ein neues Fahrzeug für Hausbesuche
Jährlich werden mehrere Hundert Kinder und Jugendliche in der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit (kommissarischer Leiter: Prof. Dr. Oliver Kratz) des Uniklinikums Erlangen behandelt – Tendenz steigend. Gemeinsam mit einem multiprofessionellen Team entwickeln die jungen Patientinnen und Patienten dort Verhaltensweisen, um alltägliche Anforderungen und Krisensituationen besser bewältigen zu können. Doch was während des Behandlungsverlaufs im geschützten Raum der Kinderpsychiatrie meist zunehmend besser funktioniert, wird nach der Entlassung in den Alltag manchmal zur Herausforderung. Um Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern auch nach dem Klinikaufenthalt therapeutisch zu begleiten, bietet die Erlanger Kinderpsychiatrie deshalb ambulante Haus- oder Schulbesuche an. Die Idee: „Die therapeutische Hilfe dorthin bringen, wo sie gebraucht wird, und dann bereitstellen, wenn sie gebraucht wird“, erklärte Prof. Dr. Oliver Kratz. Damit dieses Angebot angesichts der steigenden Nachfrage weiterhin realisiert werden kann, übergab „Tigerauge“ Initiative Kinderhospiz Nordbayern e. V. – unterstützt durch das Auto Zentrum Nürnberg-Feser – eine Spende an die Forschungsstiftung Medizin am Uniklinikum Erlangen. Das Uniklinikum Erlangen stockte die Zuwendung im Rahmen des Matching-Funds-Programms zusätzlich auf, sodass ein nagelneues Auto für die Kinderpsychiatrie beschafft werden konnte. „Diese großzügige Spende ist für unsere Patientinnen und Patienten sowie deren Eltern und Geschwister von unfassbarem Wert“, bedankte sich Oliver Kratz herzlich.
„Sogenannte aufsuchende Behandlungsformen sind höchst effektiv und nachhaltig – es gibt keine direktere Maßnahme, um Betroffenen zu helfen“, erläuterte Prof. Kratz. „Wenn ein Kind beispielsweise starke Trennungsängste hat, wird der alltägliche Schulbesuch zu einer Herausforderung – sowohl für das Kind als auch für die Eltern. In der Klinik können wir die Ängste bearbeiten und gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten Strategien entwickeln. Wenn die Umsetzung zu Hause aber weiterhin schwerfällt, ist ein Hausbesuch hilfreich.“ So könne etwa eine Therapeutin oder ein Pädagoge morgens bei der Familie vorbeikommen und das Kind dabei begleiten, das Erlernte in den Alltag zu integrieren. „Das senkt die Hürde für die Betroffenen. Beim nächsten Mal können sie die kritische Situation dann oft schon ohne Hilfe bewältigen“, erläuterte der Leiter der Kinderpsychiatrie. Auch die Eltern profitieren. „Viele sagen: ‚Das war toll! Können Sie nicht noch mal kommen?‘“, fügte Prof. Kratz an, und weiter: „Umso dankbarer sind auch wir für das neue Auto!“
Auch bereits vor oder während eines teilstationären bzw. stationären Klinikaufenthalts kann ein ambulanter Besuch sinnvoll sein, etwa zur Diagnosestellung. Denn Verhaltensauffälligkeiten werden oft erst im gewohnten Umfeld sichtbar. „Angenommen, ein Kind ist bei uns wegen sozialer Ängste in Behandlung, da sein Alltag so stark eingeschränkt ist, dass es nicht mehr in die Schule gehen kann. Dann ist es hilfreich, wenn zusätzlich eine Sozialpädagogin das Kind einmal in die Schule begleitet. Dort stellt sie dann womöglich fest, dass das Klassenklima total schädlich ist, und daraus ergeben sich weitere Handlungsmöglichkeiten. So könnten die Therapeutinnen und Therapeuten daraufhin zusätzlich einen Schulwechsel empfehlen“, erklärte der Kinder- und Jugendpsychiater. „Es gibt keine diagnostische Methode in der Klinik, die einen Besuch vor Ort ersetzen könnte“, schloss sich Heilpädagogin Luise Küffner-Winkelmann an.
Für die prä- und postklinische ambulante Versorgung ist ein Auto unerlässlich, denn öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad sind bei einem Einzugsgebiet der Patientinnen und Patienten von über 80 Kilometern – viele kommen aus ländlichen Regionen – nicht immer nutzbar. Ein Fahrzeug wird nahezu täglich für ambulante Einsätze gebraucht.
Obwohl die Effektivität von aufsuchenden Behandlungsformen sehr gut durch wissenschaftliche Studien belegt ist, übernehmen die Krankenkassen diese Leistung bisher nicht. Ein derartiges Angebot ist daher auf Spenden angewiesen. Deshalb stellte „Tigerauge“ e. V. der Forschungsstiftung Medizin am Uniklinikum Erlangen finanzielle Mittel zugunsten der Kinderpsychiatrie zur Verfügung, um ein weiteres Dienstfahrzeug anzuschaffen. Die Zuwendung des Vereins wurde außerdem durch eine Spende des Auto Zentrums Nürnberg-Feser unterstützt und durch das Uniklinikum Erlangen im Rahmen des Matching-Funds-Programms nochmals aufgestockt. „Psychische Krankheiten müssen stärker in den Fokus gerückt werden“, begründete Dr. Dorothea Hobeck, erste Vorsitzende von „Tigerauge“ e. V., das Engagement. Bozidar Bukal, Geschäftsführer der Auto Zentrum Nürnberg-Feser GmbH, schloss sich an: „Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sind ein zunehmend wichtiges Thema. Als Ausbildungsbetrieb sehen wir die Auswirkungen direkt. Deshalb wollen wir die Kinderpsychiatrie bei ihrem wertvollen Angebot unterstützen.“
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Oliver Kratzb
09131 85-39122
kontakt.kjp(at)uk-erlangen.de